Mobilitätserhebung der Wohnbevölkerung 2021
Langzeitbeobachtung: Seit 1982 erhebt die Stadt Graz regelmäßig das Mobilitätsverhalten ihrer Wohnbevölkerung, die letzte Erhebung erfolgte im Herbst 2018. Durch Vergleich mit den vorangegangenen Erhebungen der Jahre 1982, 1991, 1998, 2004, 2008,2013 und 2018 die alle nach derselben Methode durchgeführt worden waren, können längerfristige Veränderungen im Verkehrsverhalten festgestellt und Schlüsse daraus gezogen werden.
Zusammenfassung:
- Der MIV-Anteil der Wege der Grazerinnen und Grazer hat gegenüber den letzten Erhebungen und gegenüber dem Höchststand 2004 bis 2013 deutlich abgenommen. Gegenüber dem Jahr 2018 hat der MIV-Anteil 2021 weiter leicht abgenommen.
- Der Anteil des ÖV ist nach Zunahmen von 1982 bis 2018 im Jahr 2021 wieder gesunken. Das ist durch die Covid-Pandemie zu begründen, die generell zu deutlichen Fahrgastrückgängen im ÖV geführt hat.
- Der Weganteil des Fahrradverkehrs hat in den letzten Jahren stark zugenommen und weist im Jahr 2021 den Höchststand von 20% aller Wege auf.
- Der Weganteil der Fußwege ist gegenüber den letzten Erhebungen auf 21% aller Wege gestiegen.
Zur Erhebung 2021:
- Grundlagen zur Erhebung
- Verkehrsmittelaufteilung - Modal Split
- Verkehrsmittelaufteilung nach Verkehrsbeziehungstyp
- Verkehrszweckmatrix
- Verkehrsmittelaufteilung und Verkehrszweck
- Verkehrsmittelaufteilung und Alter
- Fahrzeug- und ÖV-Zeitkartenbesitz
- Verteilung der Wege der MIV-LenkerInnen nach der mittleren Wegentfernung der anderen Verkehrsmittel
Zusammenfassung Ergebnisse Erhebungen 2021 und 2018
Grundlagen zur Erhebung
- Es wurden 3.311 Personen über 6 Jahre befragt (entspricht ca. 1,1% der Wohnbevölkerung)
- Rücksendequote von 45%
- Schriftlich, postalische Erhebung zwischen 11.10. und 23.11.2021
- Verfahren: KONTIV-Verfahren mittels Wegetagebuch
Verkehrsmittelaufteilung - Modal Split
Unter „Modal Split" versteht man die Anteile der erhobenen Wege nach den einzelnen Verkehrsarten, gemessen an der Gesamtheit aller erhobenen Wege.
- Der Weganteil der MIV-Lenker und MIV-Lenkerinnen (MIV = motorisierter Individualverkehr, PKW, Kombi, Moped, Motorrad) liegt 2021 bei 32,9% aller Wege. Dieser Wert ist seit 2013 deutlich gesunken (gegenüber 37,5% im Jahr 2013 sowie 34,1% im Jahr 2018). Der Weganteil des MIV (inkl. Mitfahrerinnen und Mitfahrern) liegt derzeit bei 40,5%.
- Der Weganteil des öffentlichen Verkehrs beträgt 18,2% aller Wege der Grazer Wohnbevölkerung. Dieser Anteil ist gegenüber den Vorjahren deutlich gesunken. Hier zeigt sich ein deutlicher Covid-Einfluss: 2020 und 2021 waren generell im ÖV durch die Covid-Pandemie deutlich verringerte Fahrgastzahlen zu beobachten. Dies zeigt sich auch in den erhobenen Abnahmen des Modal Split des ÖV im Jahr 2021.
- Der Weganteil des nichtmotorisierten Verkehrs (zu Fuß und Fahrrad) liegt derzeit bei 41,3 % aller Wege und ist gegenüber dem hohen Wert 2018 von 38,6% weiter gestiegen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Steigerungen der Weganteile von Zu Fuß und Fahrrad von 2018 zu 2021 zu einem Teil auf Covid-bedingte Verlagerungen vom ÖV zu erklären sind. Es ist zu erwarten, dass es nach Überwindung der Covid-Pandemie wieder zu einer Rückverlagerung eines Teils der Fuß- und Radwege zum ÖV kommen wird
Verkehrsmittelaufteilung nach Verkehrsbeziehungstyp
Die Verkehrsmittelaufteilung ist stark von der Quelle und dem Ziel des Weges abhängig. Hier nimmt vor allem die Bedeutung des MIV von innen nach außen stark zu:
- Ungefähr zwei Drittel der Wege mit Quelle oder Ziel im 1. bis 6. Bezirk werden mit dem nichtmotorisierten und öffentlichen Verkehr zurückgelegt. Auffallend ist auch der hohe Weganteil des Radverkehrs von 25%, der gegenüber 2013 und 2018 gestiegen ist (2013: 18%; 2018: 23%). Ein Rückgang gegenüber 2013 und 2018 ist beim Weganteil der MIV-Lenker und MIV-Lenkerinnen zu beobachten (2021 ca. 26% Weganteil, im Jahr 2013 ca. 30% und im Jahr 2018 ca. 27%).
- Insgesamt hat die Anzahl der Wege mit Quelle oder Ziel im 1. bis 6. Bezirk gegenüber 2018 abgenommen (von ca. 640.000 Wegen im Jahr 2018 auf ca. 592.000 Wege im Jahr 2021).
- Der Weganteil der MIV-Lenker und MIV-Lenkerinnen bei Wegen mit Quelle oder Ziel in den Außenbezirken (7 bis 17) ist gegenüber 2018 deutlich gesunken und liegt bei ca. 41% (gegenüber 45% im Jahr 2018), vorwiegend zu Gunsten des Fahrradverkehrs. Der Anteil des Fahrradverkehrs hat bei den Wegen mit Quelle oder Ziel in den Außenbezirken (7 bis 17) von 14% im Jahr 2018 auf 17% im Jahr 2021 zugenommen.
- Im Ziel- und Quellverkehr von Graz werden ca. 70% der Wege als MIV-Lenkerin oder MIV-Lenker zurückgelegt. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs liegt bei 11% und ist gegenüber 2018 konstant geblieben.
Verkehrszweckmatrix
Verkehr ist kein Selbstzweck, sondern dient der Erledigung von Tätigkeiten außer Haus. Diese Tätigkeiten können in fünf „Daseinsgrundfunktionen" zusammengefasst werden: Wohnen, Arbeiten, Ausbildung, Einkauf, Freizeit.
Ca. 83% aller Wege haben ihren Ausgangspunkt oder ihr Ziel in der Wohnung. Ca. jeder vierte Weg wird zwischen der "Wohnung" und "Arbeit" sowie zwischen "Wohnung" und "Erledigung" zurückgelegt. Diese Ergebnisse unterstreichen die enge Wechselwirkung zwischen Raumordnung und Verkehrsplanung, z.B. die Bedeutung der Wahl des Wohnstandortes und des Arbeitsplatzes für die Weglängen bzw. die Wichtigkeit von dezentralen Versorgungseinrichtungen für kurze Weglängen.
Verkehrsmittelaufteilung und Verkehrszweck
- Die meisten Wege werden im Einkaufs- und Erledigungsverkehr (Einkäufe, Behördenwege, Arztbesuch, Serviceweg usw.) mit ca. 34%, gefolgt vom Berufspendelverkehr (ca. 25%) und vom Freizeitverkehr (ca. 23%) zurückgelegt.
- Der öffentliche Verkehr hat seine größten Anteile beim Ausbildungspendelverkehr (47%).
- MIV-Lenkerinnen und MIV-Lenker haben die größten Weganteile beim Personenwirtschafts- und Berufspendelverkehr (65% bzw. 40%).
- Das Verkehrsmittel Zu Fuß hat den größten Anteil beim Einkaufs- und Erledigungsverkehr (26%), Freizeitverkehr (31%) und im Ausbildungspendelverkehr (17%).
- Der Weganteil des Fahrradverkehrs ist beim Berufspendelverkehr deutlich gestiegen (28% gegenüber 21% im Jahr 2018), im Ausbildungspendelverkehr aber gegenüber 2018 gesunken (19% gegenüber 26% im Jahr 2018).
Verkehrsmittelaufteilung und Alter
Die Verkehrsmittelaufteilung hängt stark vom Alter ab. Der öffentliche Verkehr hat seine stärksten Anteile bei den 11 bis 15jährigen mit ca. 61% der Wege und bei den 16 bis 25jährigen mit 31%. Die stärksten Anteile des MIV treten mit 43% in der Altersgruppe von 36 bis 65 Jahren auf.
Der Fahrradverkehr hat seine stärksten Weganteile bei den 16 bis 35jährigen mit ca. 24% bzw. 28% aller Wege dieser Altersgruppe. Der Fahrradverkehr hat in der Altersklasse von 16 bis 25 Jahren gegenüber 2018 abgenommen (24% Weganteil im Jahr 2021 gegenüber 31% im Jahr 2018), in den Altersgruppen von 26 bis 35 Jahren (28% Weganteil im Jahr 2021 gegenüber 23% im Jahr 2018) und 36 bis 65 Jahren (21% Weganteil im Jahr 2021 gegenüber 17% im Jahr 2018) zugenommen, in der Altersgruppe über 65 wieder abgenommen (7% Weganteil im Jahr 2021 gegenüber 12% 2018).
Der Anteil des MIV (Elterntaxi) der 6 bis 10jährigen ist gegenüber 2018 deutlich gestiegen (aktuell 47% Weganteil im Vergleich zu 39% im Jahr 2018).
Fahrzeug- und ÖV-Zeitkartenbesitz
Eine der wesentlichen Einflussfaktoren auf das Mobilitätsverhalten ist der Besitz von Fahrzeugen, Führerschein bzw. Zeitfahrkarten für den ÖV.
- Mehr als die Hälfte der Befragten besitzt ein Fahrrad, deutlich mehr Männer als Frauen.
- Beim KFZ-Besitz zeigt sich ebenfalls ein deutlicher Unterschied zwischen Frauen und Männern (ca. 56% der Männer und 43% der Frauen besitzen einen PKW, Kombi oder Kleinbus). Der Unterschied im KFZ-Besitz zwischen Männern und Frauen hat aber gegenüber den vergangenen Erhebungen abgenommen. Ungefähr 28% der befragten Haushalte besitzen keinen PKW oder Kombi (inkl. Kleinbus).
- Beim Führerscheinbesitz ist der Unterschied zwischen Frauen und Männern in Vergleich mit den Erhebungen vor dem Jahr 2000 nur mehr relativ gering und ist auch gegenüber 2018 leicht gesunken.
- Der Anteil beim ÖV-Zeitkartenbesitz (Wochen-, Monats- und Jahreskarten) liegt bei den Frauen deutlich höher als bei den Männern. Gegenüber dem Jahr 2018 ist eine deutliche Abnahme des ÖV-Zeitkartenbesitzes zu beobachten.
- Der angegebene Besitz einspuriger KFZ liegt in der Befragung bei Männern bei ca. 13% und bei Frauen bei ca. 5%.
Verteilung der Wege der MIV-LenkerInnen nach der mittleren Wegentfernung der anderen Verkehrsmittel
Eine Auswertung der Wege des MIV als Lenkerin oder Lenker nach den mittleren Wegentfernungen der anderen Verkehrsmittel zeigt:
- 8% aller Wege (der MIV-Lenkerinnen und Lenker) sind bis inkl. 1,3 km lang, der durchschnittlichen Weglänge zu Fuß.
- 29% aller Wege (der MIV-Lenkerinnen und Lenker) weisen eine Weglänge unter 3,3 km auf, das ist die mittlere Weglänge der RadfahrerInnen. Die „Tür-zu-Tür"- Geschwindigkeit mit dem MIV ist mit 11km/h geringer als die durchschnittliche Geschwindigkeit der Wege mit dem Fahrrad (12km/h).
- 58% der Wege (der MIV-Lenkerinnen und Lenker) sind unter 6,7km lang, das ist die mittlere Weglänge des ÖV. Die „Tür-zu-Tür"-Geschwindigkeit des MIV liegt bei diesen Wegen mit 14km/h nur geringfügig über dem Mittelwert für den ÖV (12km/h).
Die Ergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der Wege der MIV-Lenkerinnen und MIV-Lenker in einer Weglänge und bei einer mittleren „Tür-zu-Tür" Geschwindigkeit liegt, die den Verkehrsmitteln zu Fuß (8%), Fahrrad (29%) und ÖV (58%) entsprechen und damit von der Wegentfernung her auf diese Verkehrsmittel verlagerbar wäre.
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