Zur Person
Diese Kurzbiographie stammt - sofern nicht anders ausgewiesen - aus: SCHOLZ Birgit, Emil Ertl. In: Literatur- und kulturgeschichtliches Lexikon der Steiermark im 19. Jahrhundert online. Graz 2011. Online verfügbar unter: https://www.nid-library.com/uploads/AF/handbuch/ertl_emil.html (am 02.07.2016)
Ertl wurde als Sohn des Seidenfabrikanten Franz Ertl (1830-1862) und dessen Frau Barbara geb. Reichert (1836-1908) geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters erhielt er den Architekten und Baurat Friedrich von Stach (1830-1906) zum Stiefvater, der eine wichtige Rolle in seiner Erziehung einnahm.
1880-1883 studierte Ertl, bis zur ersten Staatsprüfung, Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wechselte aber, nach kunstgeschichtlichen Bildungsreisen nach Paris, London und Venedig, zu Philosophie und Geschichte und promovierte 1886. Ob die Promotion in Wien oder Graz stattfand, darüber gehen die Angaben auseinander. Jedenfalls heiratete Ertl im selben Jahr die ebenfalls aus einer Seidenweberfamilie stammende Maria Hornbostel (1862-1927) in Schloss Weyer in Frohnleiten, d.h. nahe Graz.
Im August 1886 trat Ertl als Volontär und Leiter der technischen Bibliothek des 1811 von Erzherzog Johann (1782-1859) in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneums in den Landesdienst. 1889 wurde er an die Bibliothek der Technischen Hochschule in Graz und somit in den Staatsdienst übernommen. Von 1898 bis zu seiner Pensionierung 1922 war er Direktor der Bibliothek der Technischen Hochschule. [...] 1910 wurde Ertl zum Regierungsrat ernannt, 1922 zum Hofrat. Er war Vizepräsident des Steiermärkischen Kunstvereins sowie Ehrenbürger von Wien und Graz.
Ertl gilt als einer der führenden Vertreter des österreichischen Heimat- und Geschichtsromans. Während sein Jugendwerk noch romantisch und jugendlich-idealistisch geprägt ist, entwickelte er unter dem Einfluss von Peter Rosegger (1843-1918), mit dem er befreundet war, eine Art heiteren Realismus und gütigen Humor. Themen seiner Heimatdichtung sind das Wien der Habsburgerzeit, Arbeit und Fleiß als Tugenden des deutsch-österreichischen Handwerker- und Bürgertums. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen und zahlreiche Novellen. Seine Romantetralogie „Ein Volk an der Arbeit. Hundert Jahre Deutsch-Österreich im Roman" erzählt das Schicksal einer Wiener Seidenweberfamilie. Der erste Band, „Die Leute vom blauen Guguckshaus" (1905), spielt vor dem Hintergrund der Besetzung Wiens durch Napoleon und schildert die Weberfamilie Kebach, bei der das Handwerk völlig unproblematisch in den familiären Verband integriert wird. Der zweite Band, „Freiheit, die ich meine" (1908), beschreibt den Wandel vom Handwebstuhl zur maschinellen Seidenweberei. Band drei, „Auf der Wegwacht" (1911), behandelt den Abstieg der Weberdynastien, den Börsenkrach und die zunehmenden sozialen Konflikte. Der vierte Band, „Im Haus zum Seidenbaum" (1926), führt die Handlung bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs hinein.
„Ertls politische Einstellung lässt sich aufgrund eines Ereignisses recht genau einschätzen: 1933, bei der Tagung des P.E.N.-Clubs in Ragusa (Dubrovnik), als die österreichische Sektion des P.E.N.-Clubs entschied, sich einer Resolution gegen das nationalsozialistische Deutschland anzuschließen, erklärte Ertl aus Protest seinen Austritt aus dem Schriftstellerverband" (siehe hierzu auch: FUCHS 1998, S. 72).
Kuchling (1999, S. 88) führt Ertl als Kopf der literarischen „Südmarkrunde", der unter anderem Viktor von Geramb, Hans Kloepfer, Franz Nabl und Josef Papesch angehörten. Dieser Grazer Literatenkreis gilt als deutschnational gesinnt und als Wegbereiter der NS-Ideologie im steirischen Literaturbetrieb (vgl. HALBRAINER/LAMPRECHT 2015, S. 71; FUCHS 1998, S. 73)
Literatur:
FUCHS Gerhard, Profiteure, Verfolgte, Verbotene. Dichter und Dichtung von 1938 - 1945. In: KARNER Stefan (Hg.), Graz in der NS-Zeit 1938-1945. Graz 1998, S. 71-96.
HALBRAINER Heimo/LAMPRECHT Gerald, Nationalsozialismus in der Steiermark. Opfer - Täter - Gegner (= Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern 4). InnsbruckWien-Bozen 2015.
KUCHLING Mirella, Schriftstellernamen in Grazer Straßenbezeichnungen. Eine illustrierte Dokumentation. Unpubl. Diss. Graz 1999.
SCHOLZ Birgit, Emil Ertl. In: Literatur- und kulturgeschichtliches Lexikon der Steiermark im 19. Jahrhundert online. Graz 2011. Online verfügbar unter: https://www.nid-library.com/uploads/AF/handbuch/ertl_emil.html (am 02.07.2016)