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Mutmacher-Initiative gegen Gewalt an Kindern

03.02.2022
Familienstadtrat Kurt Hohensinner präsentiert die MutmacherInnen
Familienstadtrat Kurt Hohensinner präsentiert die MutmacherInnen© Stadt Graz/Fischer

Vor mehr als 30 Jahren, am 20. November 1989, wurde von der UNO die Konvention über die Rechte des Kindes beschlossen. Dieses Übereinkommen sichert jedem Kind grundlegende politische, soziale, ökonomische, kulturelle und bürgerliche Rechte zu. Ebenfalls im Jahr 1989 wurde in Österreich Gewalt in der Erziehung verboten. „Trotzdem gehört das Thema Gewalt in der Familie leider nicht der Vergangenheit an. Nach wie vor sind manche Kinder von Gewalt in der Familie oder in ihrem Umfeld betroffen. Diese kommt dabei nach wie vor in allen Altersstufen, Kulturen und sozialen Schichten vor", weiß Bildungs-, Jugend- und Familienstadtrat Kurt Hohensinner. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2020 von der Stadt Graz die Kampagne „Mutmacher" entwickelt und umgesetzt. Mit kleinen, kuscheligen Wesen, den so genannten Mutmachern, soll verstärkt auf die Thematik aufmerksam gemacht und die Grazerinnen und Grazer für den Kinderschutz sensibilisiert werden. „Ursprünglich war es als Jahresprojekt geplant. Aufgrund der zahlreichen positiven Feedbacks und der andauernden Aktualität des Themas haben wir uns entschlossen, dieses Projekt dauerhaft weiterzuführen", so Hohensinner.

Livestream zum Nachsehen

 

Die Notwendigkeit dafür verdeutlichen auch die vorliegenden Zahlen aus dem Amt für Jugend und Familie:

2019 2020 2021
Betretungsverbote 104 156 207
Meldungen 945 1.010 1.051
Gefährdungsabklärungen 140 129 171

Besonders sticht die Zahl der Betretungsverbote hervor, bei denen Kinder (unmittelbar oder mittelbar) betroffen sind. Diese haben sich während der Pandemie verdoppelt.  Waren es 2019 „nur" 104 Betretungs- und Annäherungsverbote, bei denen Kinder betroffen waren, so stieg die Zahl auf 156 im Jahr 2020 und auf 207 im vergangenen Jahr.

Mut, familiäre Gewalt anzusprechen

Für Abteilungsleiterin Ingrid Krammer ist die Initiative auch ein wichtiges Vernetzungsprojekt des Amtes für Jugend und Familie: „Kinderschutz ist seit jeher eine der Kernaufgaben des Amtes für Jugend und Familie - ein gesetzlicher Auftrag, den wir nur im Verbund mit vielen Partnern erfüllen können, ich denke dabei im Besonderen natürlich an die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, die Polizei, Kinderschutz-Einrichtungen und viele andere." So wird auch die Mutmacher-Kampagne in Kooperation mit der Abteilung für Bildung und Integration durchgeführt. In den kommenden Wochen bekommen alle Grazer Kinder in den 3. Klassen Volksschule ihren ganz individuellen Mutmacher bzw. ihre Mutmacherin. Diese werden von den drei sozialökonomischen Betrieben tag.werk, Jugend am Werk und heidenspass produziert. Nachdem sie aus Stoffresten gefertigt werden, haben alle ein (beinahe) einzigartiges Aussehen. „Wir wollen ein starkes Zeichen gegen Gewalt an Kindern setzen. Gleichzeitig war uns aber wichtig, dass die Mutmacher auch eine positive Bedeutung für die Kinder haben und ein kuscheliger Begleiter für sie und ihre Familien sind", erklärt Hohensinner, „Mut braucht man in vielen Situationen: Vor Schularbeiten, schwierigen Entscheidungen oder wenn es eben darum geht Dinge anzusprechen. Genau dann können sich die Kinder an ihre Mutmacher wenden."

Stadtrat Kurt Hohensinner, Gabriela Walisch (Kinderschutz-Zentrum Graz), Ingrid Krammer (Amt für Jugend und Familie), Ernst Eber (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde)

Mut zum Ausbau

Das Projekt wird seit seiner Einführung durch die Universität Graz evaluiert. „Dies gibt uns die Möglichkeit die Initiative durch Feedbacks anzupassen, vor allem aber auch sinnvoll und kontinuierlich zu erweitern", so Hohensinner. So wird das Programm in seiner dritten Auflage in drei wesentlichen Bereichen erweitert. Ein wesentlicher Punkt der Rückmeldungen waren die Wünsche der Schulen nach Unterstützung im Projektunterricht zum Mutmacher bzw. zum Thema Gewalt. Daher besteht im heurigen Schuljahr die Möglichkeit, dass Expertinnen und Experten des Jugendamtes von den Schulen zum gemeinsamen Projektunterricht eingeladen werden können. Dieses Service sollte schon im Vorjahr gestartet werden, war aber aufgrund der Corona-Bestimmungen zu schulfremden Personen nicht möglich.  „Die Lehrerinnen und Lehrer sind die wichtigste Schaltstelle des Projekts", weiß der Jugend- und Familienstadtrat, „deshalb wollten wir diesen die Möglichkeit geben auf unser Fachpersonal zurückzugreifen. Das ist eine wichtige Unterstützung, gerade beim schwierigen Thema Gewalt." Gemeinsam mit vier Lehrerinnen der angesprochenen Schulstufe wurde ein Arbeitsheft für die Schülerinnen und Schüler entwickelt, damit das Thema gut im Unterricht bearbeitet werden kann. Zusätzlich gibt es Programme und Vorschläge für den Unterricht zum Thema.

Mut, sich zu melden

Die beiden weiteren Ausbauschritte setzen im Bereich Sensibilisierung an. „Es geht darum das Thema Kinderschutz nachhaltig sichtbar zu machen und Betroffene aufzuzeigen, dass es Stellen gibt, an die man sich wenden kann", erklärt Abteilungsleiterin Krammer. Als eine Maßnahme wird deshalb die Nummer des Bereitschaftsdienstes in Zukunft abwechselnd mit Frauen-Notrufnummern auf den E-Rechnungen der Stadt Graz stehen. Ebenfalls kooperiert wird in Zukunft mit der allgemeinen Gewaltschutzkampagne der Stadt Graz, die ein Video speziell zum Thema Kinderschutz produzieren wird. Darüber hinaus wird ein eigenes Kinderschutz-Maßnahmenpaket im Amt für Jugend und Familie geschnürt. Darin soll unter anderem eine Infokampagne zum Thema „Schütteltrauma" enthalten sein. Auch auf Social Media wird es einen Schwerpunkt „Kinderschutz" geben, hier vor allem mit (Erklär)- Videos, die sich an Kinder und auch an Erwachsene richten.

Mut, hinzuschauen

Die Mutmacher sollen dabei helfen mit Kindern leichter ins Gespräch zu kommen, wenn es um Fragen familiärer Gewalt geht. Die Patronanz für diese Initiative haben die beiden Klinikvorstände, Universitätsprofessor Ernst Eber (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde) und Universitätsprofessor Holger Till (Kinder- und Jugendchirurgie), gerne übernommen. „Die Unterstützung bzw. Stärkung der Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern stellt besonders in herausfordernden Zeiten eine wichtige Initiative und gute Investition in die Zukunft unserer Kinder dar. Mutmacher und Mutmacherinnen können Kommunikation unabhängig vom sozioökonomischen Status stärken und im besten Fall direkte Kommunikation und Reflexion ermöglichen", erklärt Eber. Inhaltlich begleitet wird die Kampagne vom Kinderschutz-Zentrum Graz, stellvertretend für die Grazer Kinderschutz-Einrichtungen. Das Kinderschutz-Zentrum Graz ist eine Beratungs- und Therapieeinrichtung und besteht seit nunmehr 30 Jahren. Die Arbeitsschwerpunkte sind psychische, physische und sexuelle Gewalt in der Familie. Das Zentrum bietet Unterstützung und Hilfe für Kinder, Jugendliche, Eltern, Erziehungsberechtigte und Bezugspersonen bei Gewalterfahrungen, Krisen und verschiedensten anderen Problemen an.

Mut, Hilfe in Anspruch zu nehmen

Die Initiative versteht sich als ein Teil der Anstrengungen des Amtes für Jugend und Familie zum Thema Kinderschutz. „Damit es erst gar nicht zu Gewalt in der Familie kommt, setzen wir im Jugendamt verstärkt auf den präventiven Kinderschutz. Dieser gilt 365 Tage im Jahr und geht uns alle an. Als Amt stärken wir Eltern in ihrer Erziehungskompetenz und beraten sie, wenn sie an ihre Grenzen stoßen. Je früher Eltern zu uns kommen, desto besser können wir sie unterstützen! Wir alle kennen das nigerianische Sprichwort: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf." Die Idee dahinter ist, dass Kinder in einem sozialen Umfeld aufwachsen, dass sie vielfältige Ansprechpartner brauchen und vor allem, dass Kindererziehung nicht nur auf den Schultern von Müttern und Vätern lasten sollte. Eltern mögen uns als Ressource sehen - wir im Jugendamt sind Teil dieses vielzitierten Dorfes", so Ingrid Krammer abschließend.

Michael Wildling

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