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Gemeinsam gegen Antisemitismus

14.12.2020

Antisemitismus ist in Österreich leider nach wie vor traurige Realität - eine Realität, die auch wir in Graz im heurigen Jahr durch die Attacken auf die Synagoge leidvoll vor Augen geführt bekommen haben. „Attacken wie diese machen mich nach wie vor fassungslos. Gerade jetzt ist deshalb Wachsamkeit ein Gebot der Stunde", erklärt Sozial-, Bildungs- und Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner, „die Stadt Graz steht Seite an Seite mit ihren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Wir alle sind gefordert uns entschieden gegen diese Tendenzen zu stellen und gemeinsam gegen Antisemitismus in unserer Gesellschaft anzukämpfen." Eine besorgniserregende Tendenz sieht auch Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz: „Antisemitismus ist eine Realität, der europäische Juden wieder tagtäglich ins Auge blicken müssen. Denn Juden auszugrenzen und verächtlich zu machen ist wieder möglich in Österreich, in Deutschland, in Frankreich, ja weit über die Grenzen Europas hinaus. Die Zahl der antisemitischen Vorfälle ist weltweit und so auch in Österreich im Steigen. Insbesondere die Coronakrise wirkt hinsichtlich der Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien als Brandbeschleuniger." Hohensinner fordert diesbezüglich ein, Problemfelder klar anzusprechen: „Ja, Judenhass kommt nach wie vor auch aus dem rechtsextremen Bereich. Wir sehen aber auch ein vermehrtes Auftreten in migrantisch-muslimischen Communities. Egal welche Motivenlage dahintersteht, Antisemitismus muss immer bekämpft werden. Als Stadt wollen wir mit zahlreichen Projekten von Integrationsprojekten wie Perspektivenwechsel bis hin zur Extremismuspräventionsstelle n:ext unseren Beitrag leisten."

Stadtrat Kurt Hohensinner, Elie Rosen (Präsident Jüdische Gemeinde Graz), Kanzleramtsministerin Karoline EdtstadlerPressekonferenz: Gemeinsam gegen Antisemitismus

Historische Verantwortung Österreichs

Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler
Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler© Stadt Graz/Fischer

Der Kampf gegen Antisemitismus ist auch ein wichtiger Bestandteil der Regierungsarbeit im Bund. 2020 haben in Österreich die Anzahl der physischen Übergriffe deutlich zugenommen. „Angriffe auf jüdisches Leben und jüdische Einrichtungen sind immer auch Angriffe auf unsere Gesellschaft und unsere Werte. Um Antisemitismus zu bekämpfen braucht es nachhaltige Maßnahmen, die das Problem an der Wurzel bekämpfen und nicht nur die Symptome", ist Kanzleramtsministerin und Beauftragte im Kampf gegen Antisemitismus, Karoline Edtstadler, überzeugt, „die effektivsten Mittel gegen antisemitische Vorurteile waren immer schon Aufklärung, Austausch und Bildung. Sie werden daher auch zentrale Säulen der nationalen Strategie zur Prävention und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus sein, deren Ausarbeitung momentan in der Schlussphase ist. Damit setzt auch die Bundesregierung einmal mehr ein klares Bekenntnis zum jüdischen Leben in Österreich. Denn die Republik Österreich hat historische Verantwortung, dass Jüdinnen und Juden in unserem Land ohne Einschränkungen und ohne Sorgen um ihre Sicherheit leben können. Und sie hat Verpflichtung gerade der jüngeren Generation eine nachhaltige Zukunftsperspektive zu geben."

Antisemitismus den Nährboden entziehen

Als Reaktion auf die Anschläge wurde von der Stadt Graz gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde ein mehrjähriges Maßnahmenpaket geschnürt. So wurde etwa der Wachschutz für die Synagoge verstärkt. Gleichzeitig wurde eine Bildungs- und Präventionsoffensive konzipiert, deren erste Schritte nun sichtbar sind. Unter dem Titel „Gemeinsam gegen Antisemitismus" wurde ein auf drei Säulen basierendes Projekt konzipiert. Ziel ist es Antisemitismus präventiv wirksam, und vor allem nachhaltig entgegenzuwirken. „Wir wollen dem Antisemitismus den Nährboden entziehen. Das gelingt am besten, wenn man bei den Jüngsten ansetzt", weiß Hohensinner, „wir ergänzen damit unser bereits bewährtes Projekt ‚Synagoge erleben‘ bei dem wir alle Volksschüler der vierten Klassen in die Synagoge einladen, um das Judentum kennen zu lernen." Die neue Offensive wurde von der Jüdischen Gemeinde unter Leitung von Präsident Rosen konzipiert und richtet sich in unterschiedlichen Modulen an PädagogInnen und SchülerInnen gleichermaßen. Es soll vermitteln, sensibilisieren, letztlich ermutigen und unterstützen, Antisemitismus entschieden entgegen zu wirken. Es möchte Lehrkräfte und Schulleitungen, darin unterstützen, Antisemitismus als Problem ernst zu nehmen und professionell im schulischen Kontext zu bearbeiten, ja Antisemitismus überhaupt erst wahrzunehmen.

Drei Module

Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz
Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz© Stadt Graz/Fischer
  1. „Lebendiges Judentum": Das seit dem Jahre 2017 entwickelte und bewährte Teilprojekt „Synagoge erleben" macht das Judentum als eine lebendige, aktiv praktizierte Kultur, Tradition und Religion erfahrbar und soll zur Entmystifizierung des Judentums beitragen und es von der Morbidität der Shoah befreien. Neben Workshops, Seminaren und Vorträgen zu allgemeinen Themen zum Judentum gibt es neben allgemeinen Synagogenführungen mit einer allgemeinen Einführung zum Judentum auch Angebote unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, wie z.B. jüdische Feste.
  2. jewish.history.styria: Im Rahmen des Web-Moduls jewish.history.styria wird primär auf die lange Tradition jüdischen Lebens in Graz und der Steiermark bis hin zur Gegenwart hingewiesen, und dabei auch deutlich der Antisemitismus behandelt. jewish.history.styria sensibilisiert für die Vergangenheit und die Realitäten der Grazer jüdischen Gemeinde im Heute.
  3. Antisemitismus erkennen - entschieden entgegenwirken: Neben der Geschichtsvermittlung als wichtiges Instrument zur Antisemitismusprävention soll die Auseinandersetzung mit dem Gegenwartsantisemitismus stehen. Oftmals wird Antisemitismus als ausschließlich den Nationalsozialisten zuzuordnendes Phänomen, das 1933 quasi aus dem Nichts erschien und 1945 (mehr oder weniger) wieder verschwand dargestellt. Hierbei ist es wichtig auf die lange Tradition des Antisemitismus sowie den aktuellen Gegenwartsantisemitismus hinzuweisen. Dieses Modul richtet sich primär an Pädagoginnen. Denn professionelles Handeln gegen Antisemitismus in der Schule beinhaltet deswegen immer auch die kritische Reflexion der eigenen Bilder und des eigenen pädagogischen Handelns.

Mobile Lernplattform als Unterstützung

Abgerundet werden die Säulen durch ein weiteres digitales Angebot. Eine mobile Lernplattform in Form einer App dient der Auseinandersetzung mit der Religion und der Kultur des Judentums allgemein sowie des Judentums in Graz. Sie richtet sich an Schüler aller Altersklassen, Lehrer, Erwachsene und Touristen und bietet Indoor- und Outdoorerlebnisse. Sie nutzt die Stadt Graz als digitalen Erlebnis- und Lernraum, so etwa in Form einer standortabhängigen Freischaltung von Inhalten oder auch in Form eines digitalen Stadtplans mit Stationen und vorgeschlagenen Routen. In die App integriert findet sich auch ein pädagogisches Programm in Form von Erlebniswelten für Schüler aller Altersstufen.

Michael Wildling

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