Gegen das Schweigen – für Selbstbestimmung
Graz, 6. Mai 2025 - Heute Vormittag wurde im Gemeinderatssaal des Grazer Rathauses die zweitägige Fachtagung gegen Zwangsheirat und Verschleppung eröffnet. Organisiert wird die Fachtagung von vier Gewaltschutzprojekten der Caritas Steiermark (DIVAN, Malala im Museum, Pop-Up Chai & CariM) in Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum und mit freundlicher Unterstützung des Integrationsreferats der Stadt Graz. Über 100 Teilnehmer:innen aus Beratung, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft setzen sich gemeinsam mit dem Thema verwandtschaftsbasierter Geschlechtergewalt im Namen der vermeintlichen „Ehre" auseinander.
„Vieles, was mitten unter uns geschieht, passiert bis heute im Verborgenen. Es gilt, das Schweigen zu brechen und die von Zwangsheirat und Verschleppung bedrohten Mädchen und jungen Frauen zu schützen. Zudem muss das Unrechtsbewusstsein in den Communities gestärkt werden, denn noch immer werden Zwangsverheiratungen nur in den seltensten Fällen zur Anzeige gebracht", betonte Frauenstadträtin und Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). „Ich bin sehr froh, dass die Caritas sich im Rahmen mehrerer Projekte mit unterschiedlichen Zugängen dieser Thematik annimmt. Diese Tagung ist ein zusätzlicher Beitrag, um den Austausch und die Vernetzung unter all jenen, die mit dieser Thematik zu tun haben, zu fördern und die Werkzeuge im Kampf gegen diese Form der Gewalt weiter zu schärfen."
„Wenn junge Frauen gegen ihren Willen verheiratet oder ins Ausland verschleppt werden, ist das keine Tradition, sondern Gewalt. Graz stellt sich dem entschieden entgegen - für Schutz, für Selbstbestimmung, für Solidarität mit den Betroffenen", erklärte Gesundheits- und Integrationsstadtrat Robert Krotzer (KPÖ) in seiner Eröffnungsrede.
„Wir müssen aufmerksam sein und ganz klar zeigen: Die Selbstbestimmung von Frauen zu verletzen ist eine rote Linie. Da schauen gerade wir als Caritas hin - und nicht weg. Es ist unser Auftrag, in der Gesellschaft das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen. Wir schaffen Angebote, die präventiv wirken und die Frauen stärken. Ich danke allen Expertinnen und den Teilnehmerinnen, die hier in den kommenden beiden Tagen ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Kraft zugunsten der Frauen zusammenlegen." Caritaspräsidentin und Steiermark-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler.
„Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein weltweites Problem, das viele unterschiedliche Formen annehmen kann. DIVAN hat sich seit fast 15 Jahren auf die spezielle Problematik der „Gewalt im Namen der Ehre" und Zwangsheirat spezialisiert und widmet sich daher im Rahmen der Fachtagung explizit der Bewusstseinsbildung zu dieser Thematik. Durch die umfassende Information von Fachkräften, Entscheidungsträger:innen und Multiplikator:innen können auch potenziell betroffene Mädchen und Frauen besser erreicht und unterstützt werden," betont Expertin und Teamkoordinatorin des Projektes DIVAN Mag. Hannah Pacher Schöffmann, M.A.
Im Zentrum der Tagung stehen Inputs von Expert:innen aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Gleich zu Beginn wird Meltem Weiland vom Nationalen Kompetenzzentrum gegen Verschleppung PeriFeri die Arbeit ihrer Organisation vorstellen - ein Beitrag, der aufzeigt, wie viel Handlungsbedarf es in diesem Bereich gibt. Im Laufe der nächsten beiden Tage beleuchten Jurist:innen und Praktiker:innen die rechtliche Lage, zeigen Schutzlücken auf und diskutieren den Umgang mit Minderjährigenehen. Mit Spannung werden der aktuelle Lagebericht FORMA zur Zwangsverheiratung in Österreich sowie neue Daten zur Praxis der Verschleppung erwartet.
Neben Vorträgen gibt es praxisorientierte Workshops, etwa zur Rolle von Museen in der Gewaltschutzarbeit oder zur Weiterentwicklung bestehender Hilfestrukturen. Der Austausch unter Fachkräften soll dazu beitragen, konkrete Maßnahmen weiterzuentwickeln.
Die Fachtagung findet heute und morgen im Rathaus sowie im Volkskundemuseum Graz statt.
