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Qualitätssicherung in der Stadtentwicklung

03.09.2021
Vermessungsamtsleiterin Elke Achleitner, Stadtplanungschef Bernhard Inninger, Bürgermeister Siegfried Nagl und Stadtbaudirektor Bertram Werle (v.l.)
Vermessungsamtsleiterin Elke Achleitner, Stadtplanungschef Bernhard Inninger, Bürgermeister Siegfried Nagl und Stadtbaudirektor Bertram Werle (v.l.) © Stadt Graz/Fischer

Es gibt so einige Dinge, die man an neuen Wohnungen zu schätzen weiß - von der großzügigen Raumaufteilung über Lift und Terrasse bis zum gesicherten Fahrradabstellplatz. Alte Wohnungen aus den 60er- bis 80er-Jahren genügen den heutigen Ansprüchen oft nicht mehr und stehen deshalb teils leer. Um gezielt gegen den strukturellen Leerstand vorzugehen, will man in Graz nun neue Wege gehen, wie Bürgermeister Siegfried Nagl erklärte.

Neue Wege gegen den Leerstand

Zum einen soll ein Leerstandmobilisierungsfond ins Leben gerufen werden. „Er könnte mit zwei Millionen Euro bedeckt werden. Die Förderkriterien müsste eine Arbeitsgruppe festlegen - thermische Sanierungen, Balkonbauten, der Einbau von Liften", zählte der Bürgermeister auf. Der Fond soll EigentümerInnen dazu ermutigen, ihre Häuser und Wohnungen zeitgemäß zu adaptieren. Zum anderen könnte die Stadt Graz leerstehende Wohnungen mieten. Sie würde „das Mietrisiko übernehmen und die Wohnungen zu einem geringeren Preis weitervermieten - zum Beispiel an Jungfamilien. Das ist ein sehr großer Aufwand, aber es würde sich lohnen."

Vermessungsamtsleiterin Elke Achleitner wies in dem Zusammenhang auf die äußerst komplexe und aufwendige Datenerhebung hin. „Leerstand wird erhoben, in dem man Daten aus dem AGWR, dem Adress-, Gebäude- und Wohnungsregister, und dem zentralen Melderegister abgleicht. Um seriöse Ergebnisse zu bekommen, müssen diese Daten dann weiter abgeglichen werden - etwa mit dem Grundbuch", schilderte sie. „Valide und professionelle Daten sind eine wichtige Grundlage für eine gute und seröse Planung und Stadtentwicklung."

Baustopp und Mietpreis

Um auch andere viel diskutierte Themen wie Baustopp oder Bodenversiegelung in Graz näher zu erläutern und einen Status quo zur aktuellen Situation zu geben bat der Grazer Bürgermeister Stadtbaudirektor Bertram Werle und Stadtplanungschef Bernhard Inninger zu Wort und erklärte einleitend: „Seit rund 20 Jahren, seit ich Bürgermeister bin, haben sich fast 100.000 Menschen den Zuzug zur Stadt gewünscht, weil wir sehr erfolgreich arbeiten. Das Bauen von Kinderkrippen, Schulen, die Investitionen des Bundes, die wir im Bereich Fachhochschulen und Universitäten an Land ziehen konnten, und viele andere Projekte von Senioreneinrichtungen bis zu den Spitälern sind so positiv, dass die Menschen gern hier leben wollen."

Stadtbaudirektor Bertram Werle ergänzte: „Graz liegt in der Lebensqualität im internationalen Ranking im Spitzenfeld, weil wir eine Strategie haben, an der wir konsequent arbeiten." Die Wohnungspreise in Graz sind im Vergleich zu anderen Landeshauptstädten moderat. Nur Eisenstadt und Sankt Pölten liegen niedriger in den Mietpreisen als Graz.

Stadt der kurzen Wege

Ein Baustopp wäre nicht nur für die rund 13.000 Familien in Graz und Graz-Umgebung, die direkt vom Baugewerbe leben, eine folgenreiche Entscheidung. „Im ersten Schritt würde im Speckgürtel von Graz und an anderen Standorten mehr Bautätigkeit entstehen. Menschen, die ihre Arbeitsstätte in Graz haben, würden in die Stadt fahren - das würde noch mehr Verkehr bedeuten. Im zweiten Schritt würde der Standort selbst leiden", schilderte Bertram Werle und betonte: „Wir sind der Meinung, dass es keine Alternative zu einem qualitätsvollen Wachstum gibt. Die meisten der Rahmenpläne - ob Reininghaus oder Smart City - wurden einstimmig im Gemeinderat beschlossen."

Gerade europäische Mittelstädte mit einer ähnlichen Größe wie Graz, in denen man viele Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen kann, würden von der maßvollen Verdichtung profitieren, weil man nach wie vor eine Stadt der kurzen Wege hat.

Um die Schrumpfung der Grünflächen in Graz muss nicht gebangt werden: Im Stadtentwicklungskonzept 2013 ist nicht nur die Landesvorgabe verankert, dass ein Drittel des Stadtgebiets nicht als Bauland genutzt werden darf: „Ein Drittel des Gemeindegebietes ist Grünzone und kann nicht als Bauland ausgewiesen werden", führt Bernhard Inninger aus. „Das ist vernünftig, weil wir den Erholungsraum etwa im Interesse unserer Luftgüte brauchen."

Außerdem gibt es eine eigene Zielsetzung seitens der Stadt Graz: Die Hälfte des Stadtgebiets wird auch weiterhin zum „Grüngürtel" erklärt, das bedeutet nur in Ausnahmefällen neues Bauland. Es gelten strenge Bauvorschriften.

Tatsächliches Wachstum in fünf Jahren

Wie Graz tatsächlich gewachsen ist, zeigt eine Auswertung der Luftbilder aus den letzten fünf Jahren. Rund 15.900 Personen zogen in dieser Zeit nach Graz. „Das entspricht ungefähr der EinwohnerInnenzahl von Eisenstadt", vergleicht Bernhard Inninger. Dafür steht der Bevölkerung der burgenländischen Landeshauptstadt rund 43 Quadratkilometer zur Verfügung.

Mittels Fotos, Thermalscan und anderem technischen Equipment wird herausgefunden, wie viele Quadratmeter in Graz tatsächlich mit Gebäuden besetzt sind. Vergleicht man das Jahr 2015 und 2019 zeigt sich ein nahezu gleiches Bild: Die Veränderung liegt unter einem Prozent - genauer verzeichnet die Stadt in fünf Jahren ein Plus von 0,55 Quadratkilometern zusätzlich versiegelter Fläche und 1,08 Quadratkilometern zusätzlich bebauter Fläche.

„Graz hat es bewiesen: Mehr Bevölkerung, mehr Wirtschaftswachstum muss nicht auch mehr Bodenverbrauch bedeuten. Wir haben diese beiden Aspekte erfolgreich entkoppelt und möchten das gern weiter tun", betont der Grazer Stadtplanungschef.

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