"Freundschaft, das ist wie Heimat", wusste bereits Kurt Tucholsky. Ein Stück Heimat war auch der heutige Empfang für die Delegation aus Triest, die nach Graz gekommen war, um im Rahmen eines wunderschönen Festaktes die Freundschaft zwischen beiden Kommunen zu erneuern. Eine Freundschaft im Zeichen der Städtepartnerschaft, die bereits seit 50 Jahren währt.
Freundschaft ist Programm
Den Anfang machte eine Diskussion zu Fragen der Stadtentwicklung, zu Verkehr und Wohnen, an der sich neben Stadtbaudirektor Bertram Werle und Stadtplanungsleiter Bernhard Inninger der Triestiner Baustadtrat Michele Babuder, Stadtplaner Giulio Bernetti und weitere Delegationsmitglieder aus Triest im Baumkircherzimmer des Rathauses zusammengefunden hatten. Im Anschluss fand dann im Stadtsenatssitzungssaal die feierliche Übergabe der restaurierten Städtepartnerschaftsurkunde an Bürgermeisterin Elke Kahr und Kulturstadtrat Günter Riegler durch Graz Museum-Direktorin Sibylle Dienesch statt. Kahr freute sich sehr darüber, dass die Triestiner ihrer Einladung gefolgt waren: "Unsere beiden Städte verbindet viel - von Kultur und Wissenschaft bis hin zur akademischen Bildung. Was aber das Wichtigste ist: Fast alle Grazerinnen und Grazer haben wertvolle persönliche Erinnerungen an Triest. Ihre Stadt ist uns in vielerlei Hinsicht sehr nahe. Daher ist es umso schöner, dass wir unsere Freundschaft heute erneuern und weiterhin ausbauen können!" Für die Triestiner Vizebürgermeisterin, Serena Tonel, die in Vertretung für Bürgermeister Roberto Dipiazza zum Festakt gekommen war, war es eine große Ehre, in Graz sein zu können, wie sie betonte. "Die Urkunde steht symbolisch für unsere Freundschaft und Partnerschaft - beides hat heute noch mehr Bedeutung denn je. Uns verbindet unglaublich viel - unter anderem auch, dass beide Städte auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen. Es gibt viele Gründe, unsere Zusammenarbeit auszubauen - ich bin mir sicher, diese werden in Zukunft immer mehr."
Eröffnung der Fotoausstellung "Triester"
Nach der Unterzeichnung der beiden Urkunden - eine davon fuhr mit nach Triest - durch die Grazer Bürgermeisterin und die Triestiner Vizebürgermeisterin ging es weiter ins Eingangsfoyer des Rathauses, wo Kahr und Riegler die Fotoausstellung "Triester" eröffneten. Ausgestellt wird eine kleine Auswahl der fotografischen Streifzüge durch die Triestersiedlung der Künstler Martin Behr und Martin Osterider, die wie auch Bürgermeisterin Kahr hier aufgewachsen sind. 20 Jahre lang beschäftigen sich die beiden bereits mit dem Projekt, das rund 10.000 Fotografien umfasst und das Viertel in all seiner Vielfalt vor den Vorhang holt - unter anderem in etlichen Buchbänden (Edition Camera Austria). "Nicht nur die Dinge ändern sich, sondern auch der eigene Blick darauf. Deshalb wird 'Triester' weiterwachsen", betonen die Künstler. Die Ausstellung ist sechs Wochen lang ab Montag, dem 26. Juni, im Rathaus zu sehen (werktags von 8 bis 18 Uhr).
Großes Fest zu Ehren der Städtepartnerschaft
Um 16 Uhr startete das Fest "50 Jahre Städtefreundschaft Triest - Graz" im Gasthaus Fasching in der Triestersiedlung, zu dem alle Interessierten eingeladen waren, mitzufeiern. Es gab Antipasti und Erfrischungsgetränke, musikalisch sorgten "Contadino Coro" für la dolce vita. Auch die Grazer Bürgermeisterin nutzte die Gelegenheit, gemeinsam mit ihren Gästen aus Triest das Glas auf die neue alte Partnerschaft zu heben. "Ich bin überzeugt davon, dass die Begegnungen zwischen den beiden Städten auch in den vergangenen Jahren so herzlich waren wie heute! Dieser Ort, die Triestersiedlung, an dem wir feiern, hat besondere Symbolkraft. Er liegt an einer Straße, die nach Italien führt. Das heutige Fest ist ein Fest zu Ehren von Triest, aber auch zu Ehren der Grazerinnen und Grazer." Stadtrat Babuder lobte den Empfang als "nicht nur institutionell, sondern auch - und vor allem - familiär". Besonders begeistert zeigte er sich vom Wissensaustausch mit den Grazer Experten, wovon er Best-Practice-Beispiele in seine Heimatstadt mitnehmen wird. "Wir werden auch in Zukunft weitere kulturelle, künstlerische und städtebauliche Bande zwischen unseren Städten knüpfen", versprach Babuder. Und auf den Wolkenbruch bezogen, der über Graz niederging: "Selbst das Wetter kann unserer Freundschaft nichts anhaben!"
Geschichte der Triestersiedlung
Die Triestersiedlung ist ein Ort, der wie kein anderer auf die starke Verbindung der beiden Städte hinweist. Was nur wenig bekannt ist: Die Triestersiedlung, die in den 1920er-Jahren nach dem Vorbild der Wiener "Volkswohnpaläste" zu wachsen begonnen hat, ist der älteste zusammenhängende Siedlungsbau in Graz. Rund 9.000 Menschen wohnen hier, rund ein Viertel sind Nicht-Österreicher:innen. Die Triestersiedlung bot von Beginn an Menschen mit Migrationshintergrund eine Heimat: Die Mehrzahl der Sozialwohnungen war ursprünglich für Südtiroler:innen aus Italien und Slowenien vorgesehen gewesen, die in der NS-Zeit "heim ins Reich" übersiedelten. Heute gewinnt das Viertel mit jeder neuen Einwanderungswelle aus Südosteuropa oder noch ferneren Gegenden zunehmend an kultureller Vielfalt. Die Siedlung befindet sich unmittelbar an der Triester Straße, die schon früh eine verkehrsreiche Handelsverbindung zwischen der österreichischen Hauptstadt Wien und dem Seehafen Triest war.
Städtepartnerschaft Graz-Triest
Die Freundschaft zwischen Triest und Graz hat lange in die Monarchie zurückreichende Wurzeln. Die stärkste Verbindung dafür war die seinerzeitige K & K Südbahn, die Wien und Triest verband. Bis zum Jahr 1918 war es auch üblich, dass die Triestiner Akademiker in Graz studierten. Zu der offiziellen Städtepartnerschaft Graz - Triest kam es am 22. Mai 1973 unter den damaligen Bürgermeistern, Alexander Götz und Marcello Spaccini. Seit 1988 gibt es einen jährlichen Student:innenaustausch zwischen diesen Partnerstädten: Studierende aus Graz und Triest absolvieren in der jeweils anderen Stadt ein drei- bis vierwöchiges Praktikum bei einer Firma. Jedes Jahr finden in Graz zudem die Triestiner Tage unter Beteiligung der Stadt Graz und dem Land Steiermark statt.