"Egal, mit wem man in Graz über unseren Altbürgermeister und Ehrenbürger Alfred Stingl spricht, man hört auch mehr als 20 Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit nur Worte der Anerkennung, des Respekts und der Bewunderung." Nach den stimmungsvollen Klängen des Quasi Presto Streichquartetts wandte sich Bürgermeisterin Elke Kahr am heutigen 18. Juni in bewegenden Worten an die Trauergäste. Neben den Familienangehörigen waren namhafte Persönlichkeiten aus Stadt und Land, der Religionsgemeinschaften etc. in den Gemeinderatssitzungssaal des Rathauses gekommen, um des Altbürgermeisters zu gedenken, der am 29. Mai des heurigen Jahres, einen Tag nach seinem 86. Geburtstag, für immer seine Augen geschlossen hatte.
Ein Stück Stadtgeschichte
"Integrität, Verlässlichkeit, enormer Arbeitseinsatz und eine ausgeprägte soziale Haltung charakterisieren seine Amtsführung, ebenso sein kompromissloser Einsatz für Toleranz, Frieden und Menschenrechte. Kein anderer Politiker in Graz hat diesen Gemeinderatssaal, in dem wir heute zusammengekommen sind, mit seiner Persönlichkeit so geprägt wie er", betonte Kahr. Unter Stingl, der in einem Arbeiterbezirk aufgewachsen und gelernter Schriftsetzer gewesen sei, habe in Graz eine Ära positiver Veränderungen begonnen, die nur möglich gewesen seien, weil er es verstanden habe, breite Mehrheiten abseits strenger Parteilogik zu suchen und auch zu finden. "Unsere Stadt wandelte sich in jenen zwei Jahrzehnten, in denen er sie maßgeblich gestaltete, vom viel zitierten 'Pensionopolis' zu einer Stadt, die sich öffnete und zugleich ihre Vielschichtigkeit als Industriestadt und bedeutender Universitätsstandort bewahrte. Graz als erste europäische Menschenrechtsstadt, als UNESCO-Weltkulturerbe und als Kulturhauptstadt Europas wäre ohne Alfred Stingl ebenso undenkbar wie die vielen sozialen Errungenschaften, ohne die unsere Stadt heute nicht jene Lebensqualität hätte, auf die wir stolz sind", so Kahr.
Soziales Engagement
"Ich müsste sehr lange sprechen, um alle Funktionen und Ämter aufzuzählen, die er in den Jahren seines Wirkens ausgeübt hat - ganz zu schweigen von den Ehrungen und Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden. Noch länger würde es dauern, alle Errungenschaften vorzutragen, von denen die Stadt unter Alfred Stingl profitiert hat", betonte die Bürgermeisterin und erinnerte sich: "Ihm selbst war unter anderem wichtig, dass Graz seine sozialen Standards enorm verbessern konnte, etwa durch den Neubau der Geriatrischen Gesundheitszentren, dass die Stadt zum überregional bedeutenden Universitäts- und Hochschulstandort wurde und dass der Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften und die kommunale Friedensarbeit gepflegt wurden." In Erinnerung geblieben sei Stingl "seinen" Grazer:innen als Bürgermeister, den man selten im Dienstwagen gesehen habe, dafür aber umso häufiger in der Straßenbahn treffen konnte. Trotz seines legendären Arbeitspensums habe er sich viel Zeit für persönliche Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern genommen und geholfen, wo nur immer es ihm möglich gewesen sei. Auch im Ruhestand habe er sich für die Anliegen der Grazer:innen eingesetzt. Und als seine Frau Elli erkrankt sei, habe er sie gepflegt bis zum Schluss.
Alfred Stingl bleibt unvergessen
"Alfred Stingl hat in seinem letzten Interview im Jahr 2021 Folgendes gesagt: 'In der Politik im Allgemeinen und in der Kommunalpolitik im Besonderen soll Demokratie immer vermitteln, dass es Respekt für Meinungsvielfalt, Gesprächsbereitschaft und ein größtmögliches Miteinander geben soll. In unserer aufgewühlten Zeit sind die Bürgerinnen und Bürger dankbar, wenn Menschen in der Politik diesen Weg gehen.' Damit spricht er mir und so vielen anderen aus dem Herzen", sagte Kahr und versprach: "Wir werden uns bemühen, in seinem Sinne weiterzuarbeiten, damit Solidarität, Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt nie verloren gehen."